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Der goldene Monat

Der goldene Monat

Die Felder, die das Haus umsäumen, wurden letzte Woche gemäht. Es war aufregend anzuschauen.  Zwei Tage lang fuhr der Bauer mit dem Mähdrescher bis spät in die Abendstunden seine Felder ab. Getreidestaub flog durch die Luft. In der Ferne stieg von anderen Feldern die selbe Wolke auf. August - der goldene Monat. Monat des reifen Getreides, dessen Halme nun zum Trocknen auf den Äckern liegen. Das Gold wiegt sich nicht mehr im Winde, zu Wellen gehäuft, wartet es darauf, abermals bewegt und zu Rollen gepresst zu werden.Nebst dem beigen Gold des Getreides leuchten im Garten zum ersten Mal im Jahr die Blüten einiger Stauden in einem sonnengelben Gold. Auf langen dünnen Stielen zeigen sich die großen Blüten des rauen Sonnenauges, die Rudbeckia zeigt ihren Strahlenkranz um dunkler Mitte und die Goldrute schwingt ihre leuchtenden Wedel. Neben den Neuankömmlingen blüht weiterhin die Nachtkerze in ihrem zarten Neongelb und Königskerze, Johanniskraut, Sonnenblumen, Dahlien und Sonnenbraut setzen ebenfalls gelbe Farbtupferl. Und dann ist da noch der Ranunkelstrauch, welcher eigentlich im Frühjahr blüht, nun aber eine zweite etwas spärlichere, gelbe Blüte zeigt. Das Schöllkraut macht's ihm nach. August - der goldgelbe Monat.Die Blüten der Pflanze, mit welcher ich im August am meisten zu tun hatte, sind zu Beginn jedoch silbrig-grau und erhalten mit Alter immer mehr Braun. Keine Goldtöne also im Gewöhnlichen Beifuß, Artemisia vulgaris. Eine anspruchslose Pflanze, die schnell stattliche Büsche bilden kann. Bisher hatte ich die Blütenstände immer für die Floristik getrocknet, eine wilde Beigabe in Kränzen. Doch dieses Jahr habe ich zum ersten Mal Räucherbündel mit Beifuß gebunden. Es ist ein aromatisches, beruhigendes Unterfangen. Beim Streifen des Beifußkrautes mit den Händen ist ein Kampfergeruch wahrnehmbar, beim frischen Kraut intensiver als beim getrockneten. Beim Räuchern merke ich diesen Geruch nicht, dennoch schwebt dann ein wohliger Duft nach verbrannten Kräutern in der Luft. Es erinnert mich an Lagerfeuer. August ist eigentlich auch ein Monat der Vogelstille. William T. Palmer¹ beschreibt es so:

Among the birds it is moulting-time. They are discarding in sick silence the tarnished and frayed regalia of spring for the less gorgeous feathering which will serve them through the storms of autumn and winter. Many a fine songster of the early summer is reduced to a hoarse repetition of the call-note, and the intimate "talk-song" of communal life. A sort of mechanical murmur has taken the place of the liquid jollity of the first spring-music. The casual observer might indeed mistake the drawling of the greenfinch and the monotonous call of the bunting for the sound of tree and hedge insects, if not for the grating of a dry bough.

Bei den Vögeln ist gerade Mauserzeit. In krankhafter Stille legen sie ihr verblasstes und ausgefranstes Frühlingsornat für ein weniger prächtiges Gefieder ab, welches ihnen durch die Stürme des Herbstes und Winters dienen wird. Viele der ausgezeichneten Sänger des Frühsommers sind auf eine heisere Wiederholung des Ruftons und den vertrauten „Gesprächssang” des Gemeinschaftslebens reduziert. Eine Art mechanisches Murmeln hat die fließende Fröhlichkeit der ersten Frühlingsmusik ersetzt. Der zufällige Beobachter könnte das Zirpen des Grünfinken und den monotonen Ruf der Ammer tatsächlich mit dem Geräusch von Insekten in Bäumen und Hecken verwechseln, wenn nicht sogar mit dem Knarren eines trockenen Astes.

Die Spatzen hier im Garten wissen davon nichts. Aus den Hecken tönt quirliges Vogelleben. Sie zwitschern und flattern in großen Gruppen auf, wenn ich den Garten betrete. Und sie planschen mit scheinbarer Freude in der Vogeltränke. Nachdem die Spatzen die Vorreiter waren, trauen sich nun auch die Kohlmeisen zum Baden in die Tränke. Auf flinken Füßen und von den Vögeln nicht beachtet, kommt auch eine Maus zum Trinken vorbei. Es ist viel los im Garten. Überall summt und brummt es, es wächst und blüht und reift heran. Und dennoch liegt eine Ruhe über allem, eine Zeit der Entspannung bevor der Wirbel der Herbstwinde beginnt.

kohlmeise-und-spatzen-und-eine-maus-an-runder-wassertraenke-ein spatz mit ausgebreiteten flügeln am baden-bleistift-skizze

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1 Nature’s Calender, William T. Palmer, S. 137
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